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Von der Atlantikküste in den Harzer Frühling (Eingereicht bei der Braunlager Zeitung, 23. März 2007) Sechszehn vierzehnjährige Jugendliche waren es, die am 05. März aus dem Collège R.Queneau in Machecoul an der französischen Atlantikküste in Braunlage ankamen. Und
sie erwarteten, was ihnen ihre älteren Mitschüler oder sogar Geschwister, die in den vergangenen Jahren am Austausch des Gymnasiums Braunlage mit ihrer Schule teilgenommen hatten, über Braunlage im März berichteten:
Schnee und Kälte. Aber die Temperaturen waren mild und von Schnee hatte man bekanntlich in diesem Winter noch nicht viel gesehen. Doch nach der ersten Enttäuschung über die ausfallende Schneeballschlacht erkannten sie
sehr schnell, die vielen Unternehmungen, die sie mit ihren Partnern aus der Klasse 8 des Gymnasiums starteten, waren auch ohne kalte Füße klasse! Im Mittelpunkt des Besuches stand natürlich - wie in jedem Jahr-
das Kennen lernen des Lebens in der deutschen Familie. Und so war es sehr schön, dass sich wieder viele bereit erklärt hatten, ihre Familie für zehn Tage um ein Mitglied zu erweitern und es auf Deutsch, Französisch,
Englisch, mit Hilfe von Händen und Füßen, von Lexika und Übersetzungsprogrammen des Computers mit dem Tagesablauf in ihrer Familie vertraut zu machen und die Jugendlichen in die Familie zu integrieren. Eine Braunlager
Familie ist da übrigens nun schon fast Profi: bei den drei Söhnen der Familie Voß fanden im Laufe der letzten Jahre 5 französische Jugendliche herzliche Aufnahme! Ein ganz besonderer Dank für dieses Engagement!
Wichtig war natürlich auch die Begegnung mit der Schule, die in Deutschland eben zum Erstaunen der französischen Schüler schon mittags endet und in der es weder eine Kantine noch reines Aufsichtspersonal gibt. Der
einzige aus der Gruppe, dem all dies schon lange vertraut ist, war der die Schüler begleitende Deutschlehrer Yann Audo, der nun schon zum dritten Mal von französischer Seite der Organisator dieses Austausches ist.
Unterstützt wurde er von seiner Englischkollegin Guénola Oran, die sich als Sprachlehrerin gerne bereit erklärt hatte, ihre Schüler bei der Erkundung Braunlages und des Harzes zu begleiten und die in ihrem deutschen
Kollegen Frank Werger und seiner Frau vom Gedanken des Austausches ebenfalls begeisterte und ihn unterstützende Gastgeber fand. Und zu Erkundungen bot das Programm viel Gelegenheit: So galt es am ersten
Tag gleich einen Blick ins Braunlager Rathaus zu werfen, wo der Bürgermeister Stefan Grote die jungen Gäste begrüßte und ihnen Braunlage mit seinen Vorzügen, aber auch mit seinen Problemen präsentierte und sich den
Fragen seiner französischen und deutschen Besucher stellte. Nach diesem offiziellen Teil war der Nachmittag dann einem Bad im Salztalparadies gewidmet, wo Wellen und Rutsche sich auch ohne Übersetzungsprogramm wunderbar
genießen ließen. Der nächste Tag war einem Ausflug in die VW- Autostadt gewidmet. Für alle französischen Jugendlichen und manche deutschen eine erste Begegnung mit der Größe dieses Konzerns und der Faszination,
die die Präsentation der Technik bietet. Besonders die vielen Möglichkeiten eigene Autos zu entwerfen, Sicherheits-vorrichtungen auszuprobieren oder neueste Modelle zu bewundern fanden großen Anklang. Und auch die
Schüler der 7.Klasse des Gymnasiums, die im nächsten Jahr Gastgeber für die französischen Gäste sein werden, schnupperten schon einmal in den Austausch hinein und erforschten dabei ebenfalls die Autostadt. Zurück in
Braunlage hieß es dann in den kommenden Tagen sich sportlich in verschiedenen Spielen miteinander zu messen, die Altstadt Goslars unter fachkundiger Anleitung zu erobern und einen Blick in das Weltkulturerbe der Stadt
Goslar, den Rammelsberg zu werfen. Seit ich seit 1996 als Französischlehrerin des Gymnasiums den Austausch initiiere, gibt es einen, in jedem Jahr wieder auf neue andersartigen
und spannenden Programmpunkt: die Exkursion in den Nationalpark mit Herrn Richter: In diesem Jahr ging es zunächst zum Luchsgehege an den Rabenklippen, um mit dem Auswilderungsprogramm und seinen ‚Stars’ bekannt
zu machen.Ein Besuch, der nicht nur für die französischen Jugendlichen, sondern auch für einige Deutsche eine erste Begegnung mit dieser faszinierenden Wildkatze bedeutete. Danach stattete die Gruppe der Grube
Samson in St.Andreasberg einen Besuch ab und konnte dabei die alte Fahrkunst und das größte Wasserrad des Harzes bewundern. Schließlich ging es zur Hütte in der Revierförsterei Königskrug, wo bei heißem Tee und leckeren
Bratwürstchen noch einige Erläuterungen zum Nationalpark erfolgten, vor allem aber die tolle Atmosphäre mitten im - hier nun wunderbarerweise auch ein wenig verschneitem - Wald genossen werden konnte. Und endlich
gab es sie auch, die Gelegenheit zur lange erwarteten Schneeballschlacht, die viel Spaß und auch viel Geschrei über die ach so unerwartete Kälte der Schneebälle hervorrief. Besonderen Dank gilt es für diesen Tag
auszusprechen an Herrn Richter und seine ganze Mannschaft, die ihn wieder einmal liebevoll gestalteten, aber auch an Herrn Stanimeroudi, den Besitzer des Mykonos in Braunlage und die Stadt Braunlage selbst, die die
Durchführung des Tages kräftig finanziell unterstützten. Am Wochenende hieß es ‚zur freien Verfügung’: und das bedeutete für viele das Eisstadion zur zweiten Heimat zu machen. Schlittschuhlaufen kann man
in Machecoul nicht, und so freuten sich die französischen Jugendlichen besonders, dass die Kurbetriebsgesellschaft sie am Samstagabend zur Eisdisko einlud und, dass mit dem Spiel der erfolgreichen Junioren am
Samstag und der Harzer Wölfe am Sonntag gleich zwei spannende Eishockeyspiele auf dem Programm standen. Im Juniorenspiel entdeckten sie sogar zwei ‚große Brüder’ aus den Gastfamilien mit auf dem Eis und vielleicht trug
das Anfeuern der französischen Gäste auch ein wenig dazu bei, dass das Spiel der Harzer Wölfe haushoch gewonnen wurde. Dass auch die ehemaligen Austauschteilnehmer sich dem Austausch noch verbunden sehen, zeigte sich
bei der schon traditionellen Fete. Nicht nur, dass so mancher Ehemaliger einen Blick in den Fetenraum in der Schule warf, auch Michael Voß und Patrick Surmann – vor drei Jahren selbst Teilnehmer des Austausches, heizten
nun als Discjockeys die Stimmung erfolgreich an! Und nur die nebenan Erfahrungen austauschenden Eltern rückten noch ein Stückchen weiter weg, um sich besser unterhalten zu können. Eine kleine typische
Austauschbegebenheit am Rande dieses Abends: Ein junger Franzose irritierte seine Gastgeberin sehr, als er sie auf der Suche nach ‚selbstklebenden Streifen’ nicht wie in Deutschland üblich nach ‚Tesa’, sondern
seiner Sprache entsprechend nach ‚Scotch’ fragte und mir als Französischlehrerin wurde meine Unterlassungssünde bewusst: über die Doppeldeutigkeit des Wortes ‚scotch’ im Französischen hatte ich meine Schüler noch nicht
unterrichtet. Schon Tradition hat mittlerweile auch der Besuch in Hohegeiß, der französischen und deutschen Schülern gleichzeitig einen spannenden Blick in die jüngste Geschichte der Region und Deutschlands in
Bildern, Augenzeugenbericht und in natura bietet. Herr Schwarz erklärte sich nun schon zum siebten Mal bereit, anhand seiner unzähligen, wunderbaren Aufnahmen aus mehr als fünfzig Jahren Geschichte vom Entstehen und Verschwinden der innerdeutschen Grenze zu berichten. Im Anschluss
konnten die Jugendlichen, die alle erst deutlich nach 1989 geboren sind, dann mit eigenen Augen wahrnehmen, dass von dem brutalen Schnitt, den ihnen der Vortrag von Herrn Schwarz zuvor nahe gebracht hatte, Gott
sei Dank kaum noch etwas zu sehen ist. Wie sehr der Austausch mittlerweile zu Braunlage gehört, das zeigt sich auch in der lebhaften Unterstützung, die Braunlager Geschäftsleute spontan bereit waren, zu
leisten. Besonders, was den kulinarischen Teil der Veranstaltungen betrifft, so gilt es den Firmen Rewe, Sühl und Karthaus Dank zu sagen, die hier durch kostenlose, knusprige Brötchen und günstige, leckere Würstchen
diese typisch deutschen Produkte sponserten. Und auch der traditionelle Abschluss mit dem von Eltern gezaubertem Hüttenabend fand zum wiederholten Male Unterstützung durch das Hapimag, das Fackeln zur
Verfügung stellte und auch der Gipfelstürmer unterstützte ebenfalls mit einigen Fackeln. Besonders große, nämlich schwedische, von Herrn Peters aufgestellte Fackeln, begleiteten in diesem Jahr die Jugendlichen nicht nur
auf dem Rückweg sondern faszinierten sie schon während des ganzen Abends mit ihrem hellen Schein. Als die Schüler dann schließlich am Mittwochmittag am Harzburger Bahnhof voneinander Abschied nahmen, wussten
sie, dass dies kein Abschied für lange Zeit ist. Denn schon Ende Mai werden sie zusammen mit ihren Mitschülern aus der neunten Klasse für 14 Tage aus dem Braunlager Frühling in den Sommer an der Atlantikküste bei
Machecoul reisen. (Text: Inge Jupke) |